Event
Backstage Total Video – Behind the Scenes of all the Screens
Screenforce Academy | April 2021
Backstage Total Video: Unser neues Event-Format lieferte den Teilnehmer:innen an drei Vormittagen einen spannenden Rundumblick hinter die Kulissen von Total Video. Wie entstehen Programme für Sender und digitale Plattformen? Welche Rolle spielt Social Media für die Ausspielung von TV-Formaten? Und überhaupt: Wie hat sich die Nutzung der Medien seit Beginn der Corona-Pandemie verändert?
Behind the Scenes of all the Screens - das Konzept der Screenforce Academy kam bei den Teilnehmer:innen sehr gut an. Das Echo auf den Mix aus Gattungsinformationen, Werkstattberichten aus dem Maschinenraum der Programmmacher und Insights zu Werbewirkung sowie neuartigen Werbeformen war rundum positiv.
Covid-19 hat das Bild geschärft
Andreas Bartl (RTLZWEI und EL CARTEL MEDIA) analysiert in seiner Keynote den Zustand des TVs im Jahr 2021 und blickt in die neue Normalität, die der alten nicht mehr gleichen wird. Fernsehen folgt dem Rieplschen Gesetz und wurde durch den verstärkten Mitbewerb in den letzten Jahren noch besser. Covid-19 sieht er nicht als Gamechanger, sondern als Beschleuniger von Trends. Relevanz und Glaubwürdigkeit von Informationsangeboten haben die TV-Nutzung in die Höhe schnellen lassen und damit das Bild am Markt geschärft. Die schnelle Rückkehr der Werbegelder ins TV zeigt dessen Bedeutung für die Wirtschaft. „Reichweitenstarke Entertainment-Formate zeigen, dass TV keine Retro-Show ist“, spielt Bartl auf die Programmentwicklung an. Sie beschäftigt sich seit geraumer Zeit auf Basis von Daten mit den Bedürfnissen der Seher, um am Puls der Zeit zu sein. Die Ausspielung von Programmen über diverse Channels, wie beispielsweise Podcasts, soziale Medien und Apps, verbessern das multimediale Erlebnis und gestalten die Seherbindung neu. Die additiven Verbreitungswege rund um einzelne Programme lassen neue Werbemöglichkeiten im Umfeld starker TV-Marken entstehen. Am Beispiel von „Love Island“ demonstriert er die additiven Reichweiten. Über alle Kanäle hinweg erreichte die vierte Staffel des TV-Events 176 Millionen Menschen in Deutschland. „Erfolge werden nicht von Algorithmen, sondern von Menschen und großen Emotionen gemacht“, beschreibt Bartl die entscheidende Zukunftsstrategie.
ServusTV auf der Überholspur
Nach einem Jahr Pandemie ziehen die MotoGP-Moderatoren Eve Scheer und Christian Brugger Bilanz, wie sie ohne Vollbremsung Seher durch Studiosendungen und Inhalte in sozialen Medien trotz ausgefallener Rennen binden konnten. Analyseecken im Studio und Augmented Reality zogen aus der Not ins Studio ein und werden bleiben, weil sie ein verbessertes Eventerlebnis zulassen. So können Interviews aus dem Studio direkt mit Fahrern auf der Rennstrecke geführt werden. Eine Herausforderung sind die unterschiedlichen Rechte in den jeweiligen Ländern für den Sender, der in Österreich, Deutschland und der Schweiz ausstrahlt. Durch soziale Medien haben die Moderatoren einen engeren Kontakt zu Sehern und Fahrern aufgebaut, von dem die Sendung inhaltlich profitiert. „Die geänderten Bedingungen durch Covid-19 und die interaktive Kommunikation über alle Kanäle machen die Berichterstattung noch authentischer und bringen das Publikum näher ans Geschehen“, fasst Brugger zusammen.
Die Realität des Reality-TVs
Die RTL-Executive-Producerinnen Carolin Kaletta und Carolin Krasson räumen mit gängigen Vorurteilen rund um das Reality-TV auf. Anhand des Erfolgsformats „Der Bachelor“ zeigen sie, wie Sendungen entstehen und verraten, was sie selbst überrascht. Die eine oder andere übergebene Rose sorgte bei den Sendungsmacherinnen schon für Fragezeichen. In Menschen hineinschauen können sie selbstverständlich nicht. Einige glückliche Beziehungen belegen, dass es in der Show um echte Emotionen echter Mensch geht. „Wir haben kein Script, weil Menschen die Geschichten schreiben“, verraten sie ihr Geheimnis. Die Show spielt in einer exotischen Traumwelt und ermöglicht den Sehern Eskapismus aus ihrem Alltag. Die Menschen selbst jedoch sind nicht perfekt und zeichnen sich durch Ecken und Kanten aus. Dadurch kann sich das Publikum gut mit den Protagonisten und ihren Emotionen identifizieren. Was manchmal nach Backstage aussehe, sei echtes Fernsehen, führen die Executive Producerinnen aus. In Pandemiezeiten muss sich das Format an die Gegebenheiten anpassen. Erstmals wurde in Deutschland gedreht und Masken verhüllten manches Lächeln des Bachelors – auch das ist Realität. Von anderen Sendern holen sich die Produzentinnen gerne Inspiration für perfekte Dates; Storylines kupfern sie aber nie ab, um authentisch zu bleiben.
Die große Entertainment-Oase
65 Prozent der Deutschen haben einen Smart-TV. Davon sind wiederum 77 Prozent mit dem Internet verbunden. Durchschnittlich verbringen Menschen in der Bundesrepublik 10:20 Stunden täglich mit Medienkonsum. Mit 3:57 Stunden entfällt der Löwenanteil auf Videonutzung. Im letzten Jahr ist die Videonutzung in allen Altersgruppen deutlich angestiegen. Bei den 14- bis 29-Jährigen entfallen von 215 Minuten 75 Minuten auf lineares TV und weitere 13 Minuten auf TV-Livestreams. Weitere 61 Minuten machen kostenlose Onlinevideos aus, worin auch die Inhalte der Sender-Mediatheken (BVOD) enthalten sind. Bezahlte Streamingangebote haben in der jungen Altersgruppe mit 62 Minuten pro Tag den Plafond erreicht. 242 Minuten der täglichen Videonutzung in der Gesamtbevölkerung finden auf großen TV-Bildschirmen statt, der Heimat des Live-TVs. Nur jeweils 17 Minuten werden Videos auf Smartphone und Notebook gesehen. Tablets spielen mit sechs Minuten eine untergeordnete Rolle. „Je hochwertiger die Inhalte sind, desto größer ist der Bildschirm: Der Big Screen ist die Entertainment-Oase!“, fasst Gerald Neumüller (Seven.One Entertainment Group) zusammen.
Im ersten Lockdown im März 2020 stieg die Videonutzung um 15 Prozent, getrieben durch das Bedürfnis nach Information und Zerstreuung. Sowohl bei privaten als auch öffentlich-rechtlichen Sendern stiegen die Marktanteile der Nachrichtensendungen signifikant. Deutliche Zuwächse gibt es bei Unterhaltungsformaten, Live-Events und -Shows. „Im TV findet die Normalität statt, nach der sich die Menschen sehnen“, ist der Research-Experte überzeugt. TV wurde während der Pandemie zum aktiven Lebensbegleiter untertags und hatte in den Abendstunden eine Belohnungsfunktion. Live-Events wie Fußballspielen kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie den Sehern das Gefühl der Partizipation vermitteln. Je nach Nutzungssituation variiert die Offenheit der Seher für Produktinformationen, emotionale Markenbotschaften oder Sponsorings. Die Akzeptanz von Werbung im klassischen Live-TV ist deutlich höher als beim On-Demand-Konsum. YouTube wird häufig als kognitive Abkürzung genutzt, um gezielt praktikable Inhalte (beispielsweise Erklärvideos) zu finden. Dabei wird Werbung als sehr störend empfunden. Sie stellt eine Barriere am Weg zu benötigten Inhalten dar.
Neues Verhältnis zwischen Medien und Marken
„Die Quarantäne und Pandemie haben die Menschen bereit für die digitale Welt gemacht“, stellt Tom Schwarz (Seven.One AdFactory) rückblickend fest. Grenzen verschwimmen: Commerce-Unternehmen werden durch Storytelling zu Entertainment-Anbietern und vice versa. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten wird immer intensiver geführt. Durch den steigenden Wunsch der Menschen nach Authentizität sind Marken gefordert, emotionale Geschichten maßgeschneidert für die jeweiligen Plattformen zu erzählen. Schwarz zeigt am Beispiel von Red Bull und Lego, wie Marken im neuen Ökosystem zu Medien werden und damit neue Erlösströme öffnen. Die Lizenzierung erfolgreicher TV-Marken schafft neue Werbepartnerschaften mit einer hohen emotionalen Komponente durch den Imagetransfer.
TikTok Tagesschau: Seriöse Nachrichten erreichen junge Seher
Der Start der traditionell bedeutenden Nachrichtensendung „Tagesschau“ auf TikTok verlief nicht ohne heftige öffentliche Kritik. Immerhin wagte sich die ARD-Sendung als erste deutsche Medienmarke auf den neuen Social-Media-Kanal aus China. Patrick Weinhold, Leiter der Social-Media-Redaktion der „Tagesschau“, setzt auf neue Plattformen, um Publikumsschichten abseits der etablierten Verbreitungswege anzusprechen. Die seriöse Traditionsmarke, die einem gesetzlichen Auftrag folgt, entwickelt sich durch ihre Präsenz auf den Kanälen zur selbstständigen Medienmarke. Für Weinhold ist die Erschließung junger Zielgruppen eng mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag verbunden. Das Durchschnittsalter der Seher liegt im TV bei 62 Jahren, beim eigenen Digitalangebot bei 41 Jahren. Mit über neun Millionen Abonnenten in sozialen Netzwerken ist die „Tagesschau“ zur stärksten deutschen Nachrichten-Marke geworden, die verlässliche Information mit journalistischem Anspruch verbreitet. „Als Marke ‚Tagesschau‘ müssen wir das Interesse für Nachrichten und Weltgeschehen bei jungen Menschen wecken. Unser Ziel ist, die verlässliche, verständliche und unabhängige Nachrichtenquelle für die unter 20-Jährigen zu sein und eine nahbare Marke zu schaffen“, definiert Weinhold seine Strategie.
Im Gegensatz zu „Die Zeit“ oder „Der Spiegel“ entschied man sich bewusst gegen die Schaffung einer eigenen jugendlichen Marke, sondern setzt bewusst auf das seriöse, blaue Qualitätslabel und seine Markenwelt. Auf TikTok erreichen die Nachrichten von „Das Erste“ vorrangig 13- bis 17-Jährige. Im Mix mit YouTube, Instagram und Facebook wird das Altersspektrum von 13 bis 25 Jahren abgedeckt. Zudem werden auf Instagram und TikTok überwiegend weibliche User erreicht, während die TV-Nachrichten verstärkt von männlichem Publikum konsumiert werden. Mit einem hohen Tempo, jungen Gesichtern und mediengerechter Aufmachung verfolgt die „Tagesschau“ einen Erklär-Ansatz, der das Weltgeschehen verständlich macht. Als Aufklärer deckt die Nachrichtenmarke Fake News und Verschwörungstheorien auf und stellt sie richtig. Im medienspezifisch ausgewogenen Content-Mix kommt der Fun-Faktor nicht zu kurz: Einblicke hinter die Kulissen, Selbstironie, Gamification und die Teilnahme an Challenges machen die Marke nah- und greifbar. Das Community-Management stärkt die Interaktion mit den Sehern und Usern und gibt den Nachrichtenmachern ein besseres Gefühl für den Informationsbedarf der Zielgruppe. Die Markentransformation führt die Seher an die weiteren Angebote der Nachrichtenmarke heran. Social-Media-User kommen über Links auf weiterführende Inhalte der „Tagesschau“-Website. „Wir möchten einen Mehrkonsum von Nachrichten anregen“, umreißt Weinhold die große Vision und hält fest: „Um Menschen mit seriösem Nachrichtenjournalismus zu erreichen, müssen wir ihrem Medienkonsum folgen und mutig im Umgang mit neuen Plattformen sein.“
„Love Island“: Eine Produktion, viele Medien
Für Shona Fraser (RTLZWEI) und Christiane Ruff (ITV Studios Germany) zählt nicht nur die Quote, sondern die Gesamtreichweite der Sendung über alle Medien und Verbreitungswege hinweg. Digitaler Extra-Content wie Podcasts begeistert die junge Zielgruppe für das lineare TV-Erlebnis. Über alle Kanäle von RTLZWEI erreicht die Show 128 Millionen Views. Das Format wurde zur Lifestyle-Brand entwickelt, die weitreichende Möglichkeiten zur Markeninszenierung, Produktplatzierung bis hin zu Influencermarketing bietet, die weit über klassische TV-Werbung hinausgehen. Die RTLZWEI-Show setzt erfolgreich auf die Lizenzierung der Marke „Love Island“ und entwickelt daraus neue Handelsprodukte, die im gesamten multimedialen Markenuniversum beworben werden.
TV ist das Medium der Stunde
Die Pandemie hat die fragmentierte Gesellschaft näher zusammengebracht, weil alle Menschen vor dem gleichen Problem standen. „TV ist das Medium der Stunde, das die Menschen versammelt hat, um authentische und verlässliche Information zu liefern. Es wurde seiner großen Verantwortung gerecht“, stellt Autor und Trendforscher Peter Wippermann fest. Im Gegensatz zu sozialen Medien bietet das TV Privatsphäre, die stärker in das Bewusstsein der Konsumenten gerückt ist und ihr Vertrauen in die Plattformen aufgrund diverser Datenschutz-Skandale sinken lässt. Nur mehr ein knappes Drittel der Menschen weltweit vertraut Nachrichten in sozialen Medien. Spätestens seit Donald Trump den Begriff „alternativer Fakten“ strapaziert hat, ist die Vertrauenskrise gewachsen.
Die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice hat Arbeit und Medien näher zusammenrücken lassen. Einkaufen und Entertainment sind ins Zentrum der digitalen Welt gerückt. Durch diesen Trend verstärkt sich die direkte Interaktion von Marken mit Konsumenten, wie sie der US-Autohersteller Tesla von Beginn an nutzte, um auf teure stationäre Vertriebsstrukturen zu verzichten. Neue Technologien wie Hologramme ermöglichen ein innovatives, digitales Einkaufserlebnis. Es werden nicht mehr nur Produkte, sondern ganze Prozesse für individuelle Bedürfnisse verkauft: von Fitness-Programmen inklusive Equipment bis hin zum Auto-Abonnement. 3D-Drucker werden die Produktion von maßgeschneiderten Produkten in den eigenen Haushalt verlagern.
Wippermann beobachtet die Entwicklung einer „Creater Economy“. Die Generation Z lädt überproportional viele Inhalte in das Internet hoch. Das Datenvolumen kommt unter anderem durch „Social Selling“ und den Content von Influencern zusammen.
TV durchlebt eine Evolution vom unadressierten Massenmedium zum persönlichen Entertainment-Hub, auf dem sehr gezielt individuelle Werbebotschaften ausgespielt werden. Auch die Streamingdienste überdenken bereits ihre Inhalte: Netflix nähert sich mit seinem Angebot den TV-Sendern an und setzt verstärkt auf Shows mit partizipativem Charakter.
Marken, die keine Haltung beweisen, werden es schwer haben. 75 Prozent der Generation Z geben an, keine Marken mehr zu kaufen, die sich homophob, rassistisch oder ausgrenzend äußern. Der Anspruch ändert sich. „Don’t be evil“ reicht nicht mehr; die neue Devise heißt „Do good!“. Durch die Digitalisierung mussten sich Unternehmen öffnen und transparent werden.
Das Lagerfreuer brennt heller: Werben in der Zukunft
„In der Covid-19-Zeit hat sich eine neue Faszination für Gleichzeitigkeit entwickelt. Das viel zitierte ‚Lagerfeuer TV‘ ist voll entbrannt“, analysiert Maximilian Klopsch (Seven.One AdFactory). Zu Beginn der Werbung hat die Marke den Content unterbrochen. Heute machen Marken Content, wobei die Herangehensweisen sehr unterschiedlich sind. Für große TV-Events wie „Superbowl“ oder „Masked Singer“ produzieren manche Brands eigene Spots, die den Inhalt der Show aufgreifen und sich damit dem Programm annähern. Im besten Fall sind diese Spots unterhaltend und werden als Teil des Entertainment-Erlebnisses wahrgenommen. Eine andere Herangehensweise wählte McDonald’s, um seine bunten Coca-Cola-Gläser zu bewerben. Die Fast-Food-Kette setzte auf Branded Content in der Show „Masked Singer“ und machte ein sympathisches Monster zum Star auf allen digitalen Kanälen. „Germany’s Next Topmodel“ bietet seinen zwölf Partnern eine aufmerksamkeitsstarke und glaubwürdige programmliche Integration durch Product Placement. Noch einen Schritt weiter ging Mobilfunkanbieter O2 und präsentierte während der Pandemie eine eigene Konzertserie und -roadshow in Zusammenarbeit mit ProSieben. Damit wurde die Marke mit ihrer eigenen Show selbst zum Contentproduzenten und gewann Glaubwürdigkeit. Die Kampagne war um 75 Prozent effizienter als bisherige und steigerte das Relevance Set in der Zielgruppe um 25 Prozent. „Wenn sich Medien und Marken zusammentun, um gemeinsam glaubwürdige Geschichten zu erzählen, wächst die Gemeinde vor dem Lagerfeuer rasant“, zeigt Klopsch den Weg für erfolgreiches Contentmarketing der Zukunft. Marken, die selbst Inhalte erstellen, überraschen die Konsumenten.
Künstliche Intelligenz macht dynamische Werbung emotional
Unternehmen setzen auf maschinelles Lernen, um zu entscheiden, welche Ad Impressions sie kaufen, welche Verbraucher sie gezielt ansprechen wollen und welcher Spot welchem Seher gezeigt werden soll. Individualisierung statt Standardisierung heißt die Devise. Erst durch die Kombination von Daten und Kreativität wird es möglich, dass Algorithmen den Verbrauchern dynamisch angepasste Werbebotschaften im richtigen Moment ausspielen. Robert Beckert (Mediengruppe RTL) spricht von einem nahezu grenzenlosen Datenpool, der Marketern zur Verfügung steht und präzises Targeting ohne Cookies zulässt. Konsumenten können schon heute auf Plattformen wie TVNow im passenden Kontext angesprochen werden. So kann Werbung beispielsweise auf das Keyword genau ausgespielt werden, wie Beckert am Beispiel für „Rügenwalder Mühle“ bei „Das perfekte Dinner“ demonstriert. Fällt das Wort „Fleisch“, wird die Werbung ausgespielt. „Der dynamischen Ausspielung geht eine Sentiment-Analyse voraus. Darauf folgt ein ‚Matchmaking‘, das TV-Formate auf die vom Kunden gewünschten Keywords untersucht.“, erläutert Beckert. 2020 setzte REWE im linearen TV erfolgreich auf kontextbasierte Werbung. Als weiterentwickeltes Feature wurde der Hintergrund der Werbeeinblendung dynamisch angepasst. Eine anschließende Marktforschung ergab: 83 Prozent der Seher gefiel die individuelle Anpassung. Die Supermarktkette verzeichnete einen 42-prozentigen Zuwachs ungestützter Erinnerung und 22 Prozent mehr ungestützte Markenbekanntheit. 84 Prozent der Befragten gaben an, dass die Werbung zum Kauf von regionalen REWE-Produkten anregte.
Marken wollen emotionalisieren. In Zukunft wird auf Erkenntnisse aus der soziologischen Emotionsforschung gesetzt. Für das Contextual Video Tagging werden TV-Inhalte auf Emotionen analysiert, um die Werbebotschaft auszuspielen. Die Herausforderung liegt noch in der Treffsicherheit für die Ausspielung, da viele Emotionen gleichzeitig stattfinden. Nach der Testphase soll das Spektrum von vier auf acht Emotionen ausgeweitet werden, um den richtigen Moment zu treffen. „Die dynamische Werbeausspielung bringt einen optimalen Fit zwischen Markenpurpose und Content. Durch die Sentimentanalyse wird das Umfeld noch detaillierter selektiert, ohne dabei auf Daten der User zurückzugreifen“, fasst Beckert zusammen.
Das Geschäft mit dem Content
„Content is King und Distribution is Queen“: Wenn guter Content zur begehrenswerten Marke wird, zahlt das positiv auf das Werbeumfeld ein. Wie es gelingt, ein Format zu einer Marke aufzubauen, daraus zusätzliche Umsätze zu generieren und gleichzeitig den Lebenszyklus zu maximieren, zeigt Susanne Schildknecht (VIACOM CBS). „Guter Content reicht nicht aus, um Geld zu verdienen. Es braucht eine profunde Auswertungsstrategie.“ Der Nickelodeon-Brand „Paw Petrol“ gelang es zwischen 2013 und 2016 zunächst, 25 Prozent Markenbekanntheit beziehungsweise einen durchschnittlichen Marktanteil von 10,5 Prozent in der Zielgruppe zu erlangen. Um das Format auf das nächste Reichweiten-Niveau zu heben, setzte man auf eine strategische Partnerschaft mit dem linearen Fernsehen. Gemeinsam mit Super RTL erreichte „Paw Patrol“ bis 2020 eine 80-prozentige Markenbekanntheit und baute seinen Marktanteil bis 2021 auf 41 Prozent aus. „Wenn Content die maximale Reichweite und Beliebtheit erreicht hat, geht man zum Auswertungszyklus über, um richtig zu fliegen“, so Schildknecht. Lizenzgeschäft, Streaming und Events lassen die Kassa klingeln und steigern die Markenbekanntheit. „Paw Petrol“ wurde zur umsatzstärksten Vorschulmarke und verzeichnete Rekordumsätze bei den Lizenzprodukten. „Begehrlichkeit steigt nicht nur bei den Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch bei B2B-Partnern. Das ist der richtige Moment, um die nächste Auswertungsstufe zu zünden“, so die Medienmanagerin. „Dann sind auch Medienpartner bereit, höhere Preise für ein Format zu bezahlen.“ Die Marke wird schließlich zum Erlebnis ausgebaut: als Musical, im Handel, im Kino oder im Erlebnispark.