Liebe Lina Timm, der Fachkräftemangel ist eine der größten Sorgen in der Medien- und Mediabranche. Gute Leute werden händeringend gesucht. Goldene Zeiten also für den Nachwuchs, der in dieser Branche Fuß fassen will?
Der Bedarf ist tatsächlich riesig, gerade durch die vielen Streaming-Anbieter, die in den Markt gestartet sind. Mittelfristig wird da mehr Personal gesucht und das auf allen Ebenen der Bewegtbildproduktion. Daher ist jetzt ein wirklich guter Zeitpunkt, in die Branche einzusteigen.
Für Schüler und Studierende ist es gar nicht mal leicht, bei der enormen Vielfalt der Job-Optionen die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Einen Großteil der heute ausgeschriebenen Stellen gab es vor fünf Jahren noch nicht einmal. Wie kann man der jungen Mediengeneration den Einstieg in die Branche erleichtern?
Wir haben von vielen Studierenden und Schüler:innen genau das gehört: Die Vielzahl an Studiengängen und Ausbildungswegen überwältigt sie und es ist überhaupt nicht klar, was sich dahinter verbirgt. Deshalb haben wir mit Start into Media das Projekt „Infoplattform“ gestartet. Wir beschreiben auf unserer Website Ausbildungen, Studiengänge und Berufe rund um die Medien. Das kann nie allumfassend sein, soll aber eine erste Übersicht bieten. Zukünftig wird das mit Videos von Studierenden und Berufseinsteigern ergänzt, damit man wirklich ein gutes Bild davon bekommt, worauf man sich eigentlich einlässt. Dadurch kann man dann zumindest schonmal eingrenzen, wo sich ein Praktikum zum Reinschnuppern lohnt – und wo auch einfach nicht.
Selbst wenn man als Studierender weiß, in welche Richtung man gehen will: Woher soll man in jungen Jahren denn schon wissen, ob es wirklich ein Studium sein muss, oder ob einen eine solide Ausbildung nicht schneller ans Ziel bringt. Was ist Ihr persönlicher Tipp an den Nachwuchs?
Um ehrlich zu sein, ich wusste auch nicht, was ich studieren sollte. Ich wusste nur, dass ich Journalistin werden wollte. Und mir alle dazu geraten haben, NICHT Germanistik zu studieren, sondern ein inhaltliches Fach. Ich konnte mich aber schlicht für keines entscheiden und habe dann Germanistik, Medienwissenschaften und Soziologie studiert. Hat es geschadet? Nein. Ich habe Meta-Skills gelernt. Mich durchzukämpfen – Germanistik fand ich dann nämlich leider ziemlich langweilig. Und gut zu recherchieren und die sinnvollen Dinge zusammenzuschreiben. Diese Kompetenzen haben die vielen Hausarbeiten in den Fächern sehr gefördert. An den Wochenenden und in den Semesterferien habe ich aber immer als freie Journalistin im Lokaljournalismus gearbeitet, das hat die eigentliche Praxiserfahrung gegeben. Und heute bin ich nicht mal mehr wirklich Journalistin, sondern Geschäftsführerin einer Medienstandortinitiative. Da brauche ich Fähigkeiten, die ich im Studium sowieso nicht gelernt hätte. Meine Quintessenz daraus: Es ist gar nicht so wichtig, welches Fach man studiert oder worin man die Ausbildung macht. Wir werden ohnehin in fünf Jahren Berufe haben, die man jetzt noch gar nicht lernen kann. Wichtig ist in Deutschland nur, sich überhaupt in irgendetwas ausbilden zu lassen. Denn die meisten Unternehmen schauen immer noch auf die Zertifikate und Abschlüsse.
Vielen Studierenden ist gar nicht bewusst, wie vielfältig die Joboptionen sind, die man nach einem Medienstudium aufnehmen kann. Es gibt schließlich hunderte interessante und verschiedene Optionen in der Medienbranche. Ihr Anspruch ist es, mit start-into-media diese Vielfalt zu strukturieren. Wie gehen Sie vor?
Das war auch bei uns eine spannende Diskussion. Obwohl wir als Team alle in Medienberufen gearbeitet haben, fiel es uns gar nicht so leicht zu überlegen, wie wir die Infoplattform inhaltlich aufbauen. Dass Journalist:in ein Medienberuf ist, ist noch unstrittig. Aber Kostümbildner:in? Und sind IT-Studiengänge Medienstudiengänge, weil auch Medien so viel Programmierer brauchen? Wir haben irgendwann einen pragmatischen Ansatz gewählt und arbeiten uns vom Kern in die Grauzone vor. Auf unseren Social Kanälen zeigen wir währenddessen schon quer durch die Branche, wie cool und breit die Medien sein können.
Der Abschluss – früher Garant für einen guten Job – sei heute weniger wichtig, sagte Professor Dr. Thomas Becker, Studiendekan International Business Management der Hochschule Fresenius, vor wenigen Tagen in einem Interview mit w&v. Wie sehen Sie das, Frau Timm? Ist der Abschluss auch in Ihren Augen nicht mehr das wichtigste Kriterium und was ist es denn dann, worauf es heute ankommt?
Leider ist es erfahrungsgemäß noch immer so, dass eine Zertifizierung in Form eines Abschlusses nicht unwichtig ist, viele Firmen schauen immer noch auf die formale Bildung. Allerdings war in der Medienbranche schon immer die praktische Erfahrung wichtig – und meines Erachtens zieht die auch ganz allmählich am reinen Abschluss vorbei. Und noch etwas ist neu: Nicht nur offizielle Praktika in Firmen werden als Praxiserfahrung gewertet, in kreativen Jobs gerade auch das, was die/der Kandidat:in auf ihren oder seinen eigenen Social Media Kanälen produziert. Wer selbst schon Videos gedreht hat, Follower auf Tiktok generiert oder einen Podcast gestartet hat, ist der/dem Kandidat:in mit einem 1er Abschluss auf dem Papier meilenweit voraus.
Seit diesem Jahr kooperieren Sie mit Ihrer Initiative mit der TV-Gattungsinitiative Screenforce. Wie passt das denn zusammen? Ihr Fokus liegt doch auf Bayern und zugleich auf allen Mediengattungen. Screenforce hingegen ist mit seinen TV-Häusern bundesweit vertreten und dabei aber auf Bewegtbild fokussiert.
Das stimmt, wir sind gleichzeitig breiter und möchten von Buch bis Games über alle Medienbereiche informieren – und sind als Initiative für den Medienstandort Bayern da. Aktuell erreichen uns aber so viele Anfragen von der Bewegtbildbranche, dass wir gar nicht darum herum kamen, hier einen ersten Fokus zu setzen. Der Fachkräftebedarf ist seit Jahren riesig und alle möchten dringend etwas tun, da unterstützen wir gern. Außerdem können ja unbedingt auch Talente von außerhalb nach Bayern kommen und bei den coolen Medienunternehmen hier starten, da hätten wir gar nichts dagegen. :)