Skills
"Der Hochschul-Abschluss ist heute weniger wichtig"
Die Hochschule Fresenius gehört seit Anfang an zu den Partnerhochschulen der Screenfoce Academy, Upskilling-Initiative für den Nachwuchs in der Media- und Medienbranche. Prof. Thomas Becker sagt im Interview: Früher war der Abschluss ein Garant für einen guten Job. Heute hingegen kommt es anstelle des Abschlusses auf die tatsächlichen Kompetenzen an.
Herr Prof. Dr. Becker, kaum eine Branche, die nicht über Fachkräftemangel klagt. Besonders im Bereich Tech, KI und Data ist die Nachfrage nach Personal höher denn je, auch in der Medien- und Media-Branche. Schaut man sich beispielsweise die Stellenausschreibungen der Screenforce-Gesellschafter an, finden sich diverse Jobangebote aus diesem Bereich. Welche Rolle kann eine Hochschule wie Ihre dabei spielen, diesen Bedarf zu stillen?
Hochschulen sind – neben den Betrieben selbst – die Orte, wo Kompetenzen erworben werden. Und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften wie die Hochschule Fresenius sind in der Verantwortung, diese Kompetenzen auf die Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft auszurichten. Im akademischen Bereich gibt es ja keinen Fachkräftemangel im quantitativen Bereich. Es gibt genügend Absolventen. Wenn es bei Berufen mit akademischer Ausbildung Fachkräftemangel gibt, dann weil nicht die richtigen Kompetenzen entwickelt wurden. Deshalb müssen sich Hochschulen immer und immer wieder selbst hinterfragen, wie gut sie tatsächlich auf den Bedarf hin ausgerichtet sind. Und dann auch flexibel und schnell agieren. Das genau ist der Grund, dass wir mit drei Tech-Programmen starten: Weil wir vom Arbeitsmarkt wie von den Studierenden aufgefordert werden, hier etwas zu tun.
Lobenswert. Aber kommt diese Initiative nicht etwas zu spät? Was unterscheidet Ihren Vorstoß von bereits existierenden Studiengängen?
Wir sind der Anwendung, der Praxis verpflichtet. Das heißt nicht, dass wir Theorie vernachlässigen, sondern dass wir Theorie immer in einen konkreten Anwendungsbezug setzen. Und da hapert es mancherorts, speziell wenn es um IT und Tech geht. Datenwissenschaft – ja, aber wozu? Was sind die Anwendungen? Blockchain – ja, wenn ich weiß, was ich dadurch besser machen kann. Cloud, Big Data, progressive Apps, Design Thinking. Alles relevante Themen. Und wir glauben, wir können einen wichtigen Beitrag leisten, diese Themen mit Leben zu füllen. Wenn Studium auf Wirklichkeit trifft, dann wollen wir unseren Studierenden die besten Voraussetzungen ermöglichen und dann wollen wir den Unternehmen die besten Kandidat:innen bieten.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Studienabgänger in der gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitslandschaft?
Auf dem Gymnasium in meiner Nachbarschaft steht der Satz: Non scholae, sed vitae. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wird. Und das wird zunehmend wichtiger, weil es immer weniger um Faktenwissen und immer mehr um Kompetenzen geht. Absolventen von heute werden schon in wenigen Jahren mit Themen zu tun haben, von denen sie an der Hochschule nichts gehört haben. Das bedeutet: Der Abschluss – früher Garant für einen guten Job – ist heute weniger wichtig. Die tatsächlichen Kompetenzen, um in der Praxis einen guten Job zu leisten, werden immer wichtiger. Das führt zu Unsicherheit, etwa erhöhter Komplexität, aber zugleich auch zu ganz neuen Möglichkeiten.
Ab diesem Jahr bieten Sie einen neuen Tech-Studiengang an. Inwiefern wird er ihre Student:innen auf diese Herausforderungen vorbereiten, insbesondere im Bereich Werbung und Kommunikation.
Wir haben zwei Dinge konsequent verfolgt: Auf der einen Seite einen starken Methodenbaukasten, von Mathematik und Statistik bis hin zu Geschäftsmodellentwicklung und Design Thinking. Das macht rund 50 Prozent aus und hilft, unabhängig von konkreter Branche oder Technologie zu wissen, wie man kreativ Probleme angeht und zu einer Lösung führt. Auf der anderen Seite die konsequente Anwendung dieser Methoden in Bezug auf Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn wir in einem Kurs über Datenwissenschaft sprechen, gibt es einen zweiten wo wir diese Methodik, etwa für Business Intelligence und evidenzbasiertes Management in einer konkreten Situation anbieten. Das wird auch im Bereich Werbung und Kommunikation immer wichtiger. Wir brauchen hier grundlegende Methoden, die auch immer mehr mit Tech zu tun haben. Ohne Methodik geht wenig. Aber allein mit Methodik funktioniert es auch nicht. Methode plus Anwendung bringt den Erfolg.
Für welche Einsatzgebiete haben Sie Ihre Studierenden bisher ausgebildet? Wo finden Sie heutzutage Arbeit? Wer ist vor allem gefragt: Allrounder oder Spezialisten?
Als eine der größten Präsenzhochschulen Deutschlands haben wir vielfältige Angebote, von Chemie über Gesundheit und Design bis hin zu Wirtschaft und Medien. Deshalb kann man die Frage nicht gut in ihrer Breite beantworten. Aber von der Tendenz her kann man eins sagen: Im Bachelorbereich ist eine breite Grundlage wichtig – der Allrounder eben. Die spitze Fokussierung sollte erst im Master erfolgen. Arbeit zu finden ist aufgrund der Soziodemografie heute nicht mehr das Hauptproblem. Für unsere Studierenden geht es glaube ich auch nicht darum, irgendeine Arbeit zu finden, sondern die Arbeit, die für die unterschiedlichen Persönlichkeiten die beste Mischung aus Engagement, Sinn und Geld ergibt.
Welche Resonanz erwarten Sie bezüglich der neuen Tech-Studiengänge?
Die Wirtschaft sucht – ob Konzern oder Mittelstand, ob Agenturen, Industrie oder Dienstleistung. Wir wollen liefern. Die Studierenden müssen entscheiden. Ich glaube, wenn wir erfolgreich starten, sprechen wir von einer guten Resonanz. Entscheidend ist aber, was nach drei Jahren beim Abschluss des Studiums passiert. Und da würde ich erhoffen, dass aus einer guten Resonanz eine gewaltige Resonanz wird: wenn diese kompetenten jungen Menschen in die Wirtschaft einsteigen.
Stichwort Voraussetzungen: Was sollten die Bewerber:innen für den Studiengang mitbringen? Ist der Studiengang auch für Quereinsteiger sinnvoll?
Formal braucht man nur seine Hochschulberechtigung. Allerdings sollte man natürlich darüber nachdenken, ob dieser Tech-Bereich wirklich zu einem passt. Der Abschluss ist ein Bachelor of Science, das heißt, Mathe spielt keine unwesentliche Rolle. Und natürlich erschließen sich Tech-Themen besser, wenn man sich für digitale Technologien begeistern kann und Spaß an neuen Dingen hat.
Welche Hilfestellung geben Sie Ihren Student:innen, neben den wissenschaftlichen Inhalten, für eine erfolgreiche Berufslaufbahn mit auf den Weg?
Das ist der Vorteil einer großen Hochschule mit langjähriger Erfahrung und viel, viel Feedback von den Studierenden, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit. Bei der Hochschule Fresenius gibt es ein hochkarätiges Absolventennetzwerk, studienbegleitende Angebote von unterschiedlichsten Sprachen über Zertifikate in Qualitätsmanagement oder SAP oder was auch immer. Wir haben kleine Lerngruppen mit vielen Praktikern am Campus und Exkursionen in die Betriebe. Da kann man schon als Studierender Netzwerke aufbauen und auch erste Praxiserfahrungen machen. Für uns als private Hochschule steht der einzelne Studierende im Fokus, die individuelle Unterstützung, um gemeinsam zu wachsen. Das unterscheidet uns sicherlich von vielen anderen Angeboten.